• Home
  • Infotek
  • Fortgeschrittene Arthrose im Kniegelenk – Teilprothese oder Prothese?

Fortgeschrittene Arthrose im Kniegelenk – Teilprothese oder Prothese?

18.04.2020

19.4.20. Blogbeitrag von Dr. med. Thomas Rychen

 

Immer mehr und immer jüngere Menschen leiden an Beschwerden aufgrund Verschleiss Ihrer Gelenke. Sehr häufig sind Hüft und Kniegelenke betroffen. Ist der Gelenkknorpel abgenutzt spricht man von Arthrose.

Unterschiedliche konservative Möglichkeiten der Arthrosebehandlung sind etabliert, so zum Beispiel Bewegungstherapie, Schienenbehandlung oder Schmerztherapie. Ist die Lebensqualität oder die Arbeitsfähigkeit trotz konservativer Therapien stark eingeschränkt, bleibt heute lediglich der Oberflächenersatz des betroffenen Gelenkes.

Bei fortgeschrittener Arthrose der Hüfte besteht nur ein vollständiger Ersatz dieses Kugelgelenkes als letzte Therapieoption. Beim Kniegelenk kann man drei Kompartimente, also abgegrenzte Teilgelenke unterscheiden. Das Kompartiment der Innenseite (mediale), das äussere (laterale) Kompartiment, sowie das patellofemorale Kompartiment, also das Teilgelenk zwischen Kniescheibe und Oberschenkelrolle (siehe Bild).

Sehr häufig ist nur ein Kompartiment im Kniegelenk von Arthrose betroffen. Dann bietet sich unter Umständen die Möglichkeit auch nur dieses eine Teilgelenk zu ersetzen und der Rest des Kniegelenkes zu erhalten.

 

Diese Faktoren begünstigen den einseitigen Verschleiss im Kniegelenk

Je nach Ausprägung der Kniearthrose (Gonarthrose) kann zum Beispiel nur die Innen- oder Aussenseite von Arthrose betroffen sein.

Bei dieser Entwicklung spielen verschiedene Faktoren eine wichtige Rolle. Die traumatische (unfallbedingte) Arthrose durch direkte Verletzungen am Knorpel, sowie Stoffwechsel- und rheumatologische Erkrankungen einmal ausgeschlossen, spielen für den Erhalt der Knorpelsubstanz vor allem die Beinachse, die Stabilität des Gelenkes, sowie der Zustand der Menisken eine wesentliche Rolle.

Personen mit O-Beinachse (Varus) belasten verständlicher Weise die Innenseite der Kniegelenke viel mehr, wie nebenstehende Darstellung zeigt.

Die Belastungsachse aus dem Hüftzentrum ins Zentrum des Sprunggelenkes verläuft im Kniegelenk bei varischer Beinachse über der Innenseite. Dadurch ist der Druck auf der Innenseite im Gelenk grösser als aussen, was zu einer einseitigen Abnutzung auf der Innenseite führen kann.

Wird das Knie durch eine Bandverletzung (bsp. VKB Ruptur) instabil ist die natürliche Biomechanik der Kniegelenkes verändert. Bei vermehrter sportlicher Aktivität kann diese Instabilität zu vermehrten Shiftbewegungen (Gleiten) im Gelenk führen, was sowohl Menisken als auch Knorpel verletzen kann.

Ein gesunder Meniskus kann den Druck im Gelenk gleichmässig verteilen. Durch die Verletzung des Meniskus konzentriert sich die Belastung zentral auf dem Knorpel. Die Pufferfunktion im Knie geht verloren. Die dadurch entstehenden Druckspitzen schädigen den Knorpel auf Dauer. Die Folge ist Arthrose.

 

 

Diese Patienten werden von einer Totalprothese enttäuscht sein

Sind trotz sämtlicher konservativen Therapiemassnahmen die Schmerzen unerträglich und die Einschränkungen im Alltag zu gross, besteht die Möglichkeit eines prothetischen Gelenkersatzes (künstliches Kniegelenk). Seit der Entwicklung des Design-Prototypen der Knie-Totalprothese durch John Insall 1972 wurden Techniken verbessert, neue Prothesen entwickelt, Eingriffe standardisiert, und medikamentöse Begleittherapien optimiert. Trotz vieler Anstrengungen verbleiben laut Literatur rund 1/5 der Patienten nach Knie-Totalprothesen Implantation nicht ganz zufrieden, oder sogar unzufrieden.

 

Heute weiss man, dass eine prothetische Versorgung des Kniegelenkes nicht zu früh in der Arthroseentwicklung erfolgen darf. Natürlich ist die Funktion eines künstlichen Kniegelenkes nicht gleich gut wie die des gesunden, natürlichen Originales. Erst wenn der Knorpelbelag komplett aufgebraucht ist und Knochen auf Knochen Kontakt besteht, ist die Indikation gegeben. Patienten welche zu früh operiert werden, profitieren somit weniger und werden vom Resultat enttäuscht sein.

 

Besteht bei einem Patienten trotz fortgeschrittener Arthrose eine praktisch uneingeschränkte Beweglichkeit des Kniegelenkes (rund 150 Grad), muss man ihn darüber aufklären, dass er mit einer Totalprothese nicht die gleiche Beweglichkeit erreichen wird. Die Mechanik der Prothese lässt häufig nur eine maximale Beugung von 120-130 Grad zu.

 

Jüngere Patienten mit Arthrosen stellen hohe Ansprüche an die Funktion des operierten Kniegelenkes. Schmerzfreies Belasten im Alltag ist nicht ausreichend. Sportliche Aktivitäten sollen weiterhin möglich sein. Bei der Implantation einer Totalprothese verlieren die Patienten die Propriozeption (Wahrnehmung der Bewegungen) eines natürlichen Kniegelenkes zu einem grossen Teil. Gewisse sportliche Aktivitäten können so nicht weiter ausgeführt werden. Einige Patienten werden dadurch mit dem Erreichten trotz Schmerzfreiheit nicht zufrieden sein.

 

 

Diese Punkte gilt es für eine Teilprothese ganz genau zu beachten

Nicht jedes einseitig abgenutzte Kniegelenk kann mit einer Teilprothese versorgt werden. Bei Patienten mit einseitiger Kniegelenksarthrose und einer sehr ausgeprägten Beinachsen-Fehlstellung muss sehr sorgfältig geprüft werden, ob eine Teilprothetische Versorgung möglich ist. Besteht nebst der einseitigen Arthrose eine schiefe Gelenksebene, kann keine Teilprothetische Versorgung erfolgen. Die schiefe Belastung im Gelenk würde zu einem vorzeitigen Scheitern der Prothese führen. Die Gelenkswinkel sollen deswegen vor einer Operation präzise gemessen sein.

 

Sind einer Arthrose ein Unfall oder gar Operationen vorausgegangen, gilt es genau zu prüfen, ob die Stabilität des Kniegelenkes ausreichend vorhanden ist. Besteht eine Insuffizienz der Kreuzbänder kann keine Teilprothese implantiert werden. Es würde andernfalls zu einem vorzeitigen Versagen der Teilprothese kommen. Wurde vorausgehend eine Kreuzbandrekonstruktion durchgeführt, muss klinisch wie MR-diagnostisch genau geprüft werden, ob die wieder erreichte Stabilität eine teilprothetische Versorgung ermöglicht. Besteht aufgrund einer insuffizienten VKB Rekonstruktion ein vermehrtes Spiel im Kniegelenk mit einem sogenannten positiven Pivot Shift Test muss ebenfalls von einer teilprothetischen Versorgung abgesehen werden.

 

Eine Gelenksarthrose kann als Folge einer systemischen Erkrankung auftreten. Besteht beispielsweise eine Rheumatoide Arthritis, so ist die Ursache der Knie Arthrose eine generalisierte Erkrankung des gesamten Körpers. Häufig sind dann mehrere Gelenke betroffen. Selbst wenn nun im Rahmen einer solchen Erkrankung ein Kniegelenk radiologisch nur einseitig abgenutzt ist, so ist doch das ganze Gelenk erkrankt. Eine Teilprothese kann das Problem dann nicht beheben und ist somit kontraindiziert. Gleiches gilt für Arthrosen im Rahmen anderer entzündlicher Gelenkserkrankungen wie beispielsweise einer Psoriasis Arthritis oder Gichtarthropathie. Das Vorliegen einer Pseudogicht, der sogenannten Chondrokalzinose, also einer Ansammlung von Kalkablagerungen (Kalziumpyrophosphat) im Gelenk gilt als relative Kontraindikation für die Implantation einer Teilprothese.

 

 

Zurück zur Auswahl